Beschreibung
Stefan Grundmann
Daß Rom zu Recht die „ewige Stadt“ genannt wird, haben über die Jahrhunderte hinweg gerade Architekten und Künstler immer wieder erfahren. Ewig ist Rom vor allem deshalb, weil es sich stets verjüngte, stets auf der 'Höhe der Zeit' war. Hier entstanden seit mehr als 2000 Jahren die Prägebauten des Abendlands, hier wurde die Geschichte der europäischen Architektur geschrieben. Der Grundstock wurde bereits in der römischen Antike gelegt, als man erstmals Innenräume bewußt zu gestalten suchte und damit der Raum als etwas eminent Körperhaftes erlebbar wurde. Schon damals begann man auch, die bis heute gültigen Bautypen zu entwickeln, und schuf so die Eckpfeiler der späteren abendländischen Architektur. In ihr blieb die Vorrangstellung Roms stets ungebrochen - sei es mit Alt-St. Peter als der ersten mittelalterlichen Basilika oder Neu-St. Peter als dem Bau, an dem Bramante und Michelangelo die Hochrenaissance entwickelten, sei es mit den Werken von Bernini und Borromini, deren luzide und reiche Raumformen den Barock bis hinauf nach Wien, Böhmen und Mainfranken prägen sollten, oder auch mit Bauten der Moderne, die in Rom manche unverhoffte Perle bereithält. All dies wird nur dann nachvollziehbar, wenn es geschichtlich, d. h. in seiner zeitlichen Abfolge dargestellt wird. Daher wurde für den Führer nicht die übliche topographische, sondern die chronologische Ordnung gewählt. Man wird so nicht in beliebiger Reihenfolge von einem Barockbau zu einem antiken oder einem modernen geführt, sondern man folgt sukzessive der historischen Entwicklung. Jeder Epoche ist eine Einleitung vorangestellt, die deren Leitlinien nachzeichnet. So entsteht eine fortlaufende, reich bebilderte Geschichte der Architektur der Stadt Rom - und damit zugleich auch des gesamten Abendlands. Die praktische Handhabung gewährleisten ein alphabetischer Index und ausführliches Kartenmaterial, dessen Angaben nicht nur das historische Bild unmittelbar zur Anschauung bringen, sondern darüber hinaus die Wahl eigener Wege durch die Geschichte ermöglichen.
M86-M88 Palazzo Rhinozeros, Off Club, Vestibül Domus Aurea
Eine Reihe von Innenraumgestaltungen älterer Bauwerke haben in den letzten fünf oder zehn Jahren Aufsehen erregt und dieses Genre, das so sehr in die vielschichtige, jahrtausendealte Textur Roms passt, beeindruckend geformt. Dies war nicht ohne Vorläufer schon in den Jahrzehnten zuvor (M63 und M69), etwa von Quaroni und Portoghesi. Von den drei Beispielen am besten zugänglich ist der Palazzo Rhinozeros des französischen Stararchitekten Jean Nouvel. Umgekehrt ist der Off Club (zwischendurch Anima Restaurant) des aufstrebenden sizilianischen Jungstars Antonino Cardillo 2025 im Umbau und Stefano Boeris Eingangsgestaltung der Domus Aurea des Nero (A24) (mit der ganzen, antiken Sehenswürdigkeit) nur mit Vorbestellung einer geführten Tour zugänglich, jedenfalls 2024 zu prohibitiv hohen Preisen. Das Spektrum, das alle drei eröffnen, ist allerdings bemerkenswert. […]
Der Sizilianer Antonino Cardillo sublimiert im Off Club (M87) den ästhetisch-eindrucksvollen Gebrauch von Sichtbeton und Putzoberflächengestaltungen. Seine Wurzeln hat dieser in den frühen Villen und allgemeiner dem Werk Le Corbusiers, wurde im (ober-)italienischtessinischen Raum jedoch vor allem von Mario Botta und Carlo Scarpa fortentwickelt. Die Klarheit geometrischer Formen, welche die Wandgliederung prägen, verbunden mit dem haptischen Eindruck, den die raue – aber kantenscharf-glatte – (Putz-)Oberfläche vermittelt, hat Cardillo demnach »ererbt«. Er selbst fügt vor allem zweierlei hinzu: das Spielen mit verschiedenen, auch verschiedenfarbigen Lichtquellen, sowie die viel stärkere Betonung einer Autonomie der einzelnen Teile, teils eingestellte Bögen, schwebende Segmente oder geometrische Körper und Ähnliches, jedenfalls Durchblicke und die Illusion von dazwischengeschalteten Leerräumen. Ein Eindruck von Bühnenhaftem entsteht, auch Spiritualität (Psyche), auf die der Architekt hinweist, reich, intellektuell anspruchsvoll. Das ist postmodern im Geiste, aber vor allem dem interessanten Erlebnis angepasst, für das seine Räume immer wieder konzipiert sind. Den Gestaltungen eignet – in Gestaltung, jedenfalls aber Gebrauch – zugleich etwas Ephemeres, Verborgenes, fast ein Abbild seiner subtilen Formensprache. Off Club, zwischendurch Anima-Restaurant, ist noch 2025 wegen Umbau geschlossen, andere Werke Cardillos in Rom wie Mondrian Suite Art Gallery und House of Dust gar dauerhaft.

Antonino Cardillo, Off Club, Rom, 2018. Fotografie: Antonino Cardillo